Julia Lenart

Die Minoritenkirche

Die Minoritenkirche im ersten Wiener Gemeindebezirk zählt zu den ältesten Kirchen Wiens. Ursprünglich vom Minoritenorden errichtet, ist sie seit dem 18. Jahrhundert im Besitz der italienischen Kongregation. Seit ihrer Errichtung prägte sie das optische und politische Stadtbild.

Die Minoriten in Wien

Die Anfänge der Minoritenkirche gehen bis ins 13. Jahrhundert zurück. Im Jahre 1224 berief der Babenberger Herzog Leopold VI die Minoriten nach Wien. Der Minoritenorden (lateinisch: Ordo Fratrum Minorum) wurde von Franz von Assisi (circa 1181-1226) gegründet. Von den Minoriten spaltete sich später der Franziskanerorden ab, da viele Mitglieder die zunehmende Lockerung der Ordensregeln missbilligten und zu den alten Traditionen zurückkehren wollten.

Auf seiner Heimreise von den Kreuzzügen soll Leopold VI Franz von Assisi in Italien persönlich getroffen haben und ihn um die Entsendung einiger Ordensbrüder gebeten haben. Diese kamen 1224 in Wien an und gründeten nahe der neu errichteten Stadtmauer ein Kloster mit Kirche. Diese (ursprünglich Katharinenkapelle) wurde später dem Heiligen Kreuz (Santa Croce) gewidmet und 1251 von Bischof Berthold von Passau geweiht. Das Kloster war riesig; es erstreckte sich über den Ballhausplatz, bis zur Hofburg und über Teile des Volksgartens. Bei einem verheerenden Stadtbrand im Jahre 1276 wurden sowohl Kirche als auch Kloster völlig zerstört und machten einen Wiederaufbau notwendig.

Die vielen Ausbauten der Kirche

Nachdem 1276 große Teile des Klosters in Trümmern lagen, legte König Ottokar II noch im selben Jahr den Grundstein für eine neue Kirche, die neben der renovierten Heiligen-Kreuz-Kapelle stehen sollte. Der frühe Tod des Herrschers (1278) verzögerte den Bau der Kirche allerdings; sie wurde erst im nächsten Jahrhundert fertiggestellt. Ottokar wurde dreißig Wochen in der unfertigen Kirche aufgebahrt. Beide Gotteshäuser (die neue Kirche und die gegenüberliegende Kapelle) waren erst dem Heiligen Kreuz geweiht, bis die alte Kapelle 1296 vergrößert und der Heiligen Katharina geweiht wurde.

Ihre heutige Gestalt erhielt die Minoritenkirche im Laufe unzähliger Umbauten

In den darauffolgenden Jahrzehnten wurde die Kirche (und das Kloster) ständig umgebaut und erweitert. So wollte Herzogin Blanche von Valois zu Ehren ihres Großvaters (König Ludwig IX) die Ludwigskapelle errichten. Diese kam allerdings erst nach dem Tod der Herzogin zur Ausführung. Die größten Änderungen wurden zwischen 1340-1400 vorgenommen. In diesem Rahmen entstanden unter anderem das prächtige Hauptportal sowie der charakteristische achteckige Glockenturm, welcher noch heute aus dem Wiener Stadtbild hervorsticht.

Der Einfluss der Minoriten in Wien war alles andere als gering. Die 1365 gegründete Universität stand lange Zeit unter dem Einfluss des Ordens; vor allem die theologische und die juridische Fakultät. Herzog Rudolf IV hatte die Minoritenkirche sogar als geistiges Zentrum des (nie ausgeführten) Universitätsviertels, der Pfaffenstadt, vorgesehen. Darüber hinaus beherbergte das Kloster lange Zeit die kaiserliche Hofbibliothek sowie das Hofspital.

Wechselnde Glaubenseinflüsse

Nach der ersten Türkenbelagerung (1529) mussten die Minoriten mit dem konkurrierenden Franziskanerorden um die Vorherrschaft in Wien kämpfen. Das Kloster der Franziskaner war in den Kämpfen zerstört worden, weshalb diese in das Minoritenkloster drängten, es sogar übernehmen wollten. Zwar beschützte Kaiser Ferdinand I die Minoriten, indem er den Franziskanern ein eigenes Klostergebäude zuwies, doch die Zahl der Mitglieder des Minoritenordens war ohnehin empfindlich zurückgegangen. Das ging soweit, dass die Kirche durch den aufkommenden Protestantismus im Jahre 1596 zu einem protestantischen Gotteshaus wurde. Im Kloster wurden dennoch katholische Messen gelesen und versucht, den Orden aufrecht zu erhalten. 1620 gelang es den Minoriten, ihre Mitgliederzahl mithilfe von aus Italien gerufenen Patres zu erhöhen und somit die Protestanten zu verdrängen.

Die Kirche stand in ihrer Geschichte unter wechselnden Einflüssen

Eine weitere Bedrohung ging von den Jesuiten aus, die Ferdinand I bereits 1550 nach Wien gerufen hatte. Der starke Zuzug von Italienern veranlasste den Jesuitenpater Wilhelm Lamormaini im Jahre 1625 dazu, eine Italienische Kongregation zu gründen. Nach der Vertreibung des Jesuitenordens aus Wien, wurden sämtliche Jesuitenkapellen vom Kaiser in Beschlag genommen. Die Italienische Kongregation, die damit ihre Unterkunft verloren hatte, brauchte einen neuen Ort, um ihre Gottesdienste zu feiern. Diesen fand sie in der Katharinenkapelle (welche zum Minoritenkloster gehörte), die in Gedenken an die Santa Maria Maggiore in Rom, auf den Namen Madonna della Neve (zu deutsch: Maria Schnee) geweiht wurde. Zunächst lebten Italiener und Minoriten nebeneinander. Doch es dauerte nicht lange, bis der Kaiser befand, dass die kleine Kapelle für die anwachsende italienische Gemeinde zu klein sei und die Minoriten aus ihrer Kirche verdrängte. Die Minoritenkirche übergab er der Italienischen Kongregation, unter der Bedingung, dass diese sich für deren Restaurierung einsetzte. Die Kapelle nahm der Kaiser in seinen Besitz. Die neue Kirche (von nun an Madonna della Neve)wurde am Ostersonntag 1786 feierlich eingeweiht. Erst im Jahre 1953 wurde den Minoriten wieder die Betreuung der italienischen Gemeinde und somit der Minoritenkirche übertragen.

Das Innere der Minoritenkirche

Im Inneren der Kirche befinden sich einige sehenswerte Kunstwerke. Das erste, was dem/der BesucherIn ins Auge sticht, ist der gotische Hochaltar. Das Altarbild ist eine Nachahmung des Altarbildes in Santa Maria Maggiore in Rom. Auf dem Baldachin über dem Tabernakel befindet sich ein barockes Kreuz, das an das Wimpassinger Kreuz erinnern soll – eines der berühmtesten Holzkreuze aus dem 13. Jahrhundert, welches im Zweiten Weltkrieg einem Brand zum Opfer fiel.

Die Familienmadonna

Zudem ist das große Wandmosaik an der Nordseite der Kirche zu nennen: es ist eine Nachbildung von DaVincis berühmten Werk Das letzte Abendmahl. Geschaffen wurde es in den Jahren 1805-1814 von Giacomo Raffaelli, der es ursprünglich Napoleon gewidmet hatte. Der habsburgische Kaiserhof erstand das Kunstwerk, welches 1847 der Minoritenkirche übergeben wurde. Die Präzession des Mosaiks ist beeindruckend; es wirkt beinahe wie ein Gemälde. Besonders der Ausdruck der einzelnen Figuren und deren Unruhe über das Geschehen um sie herum stechen aus Raffaellis Werk hervor. Es steht der Vorlage DaVincis um nichts nach.

Von künstlerisch nicht minderer Qualität ist die Familienmadonna,die sich an einer Säule rechts des Hauptschiffs befindet. Sie wurde bereits 1345 von Herzog Albrecht II der Kirche gespendet. Die Madonna ist eine der wenigen farbigen Steinfiguren. Bemerkenswert ist vor allem die sanfte Ausführung des Werks; die weichen Gesichtszüge und das fließende Gewand verleihen der Madonna etwas Sympathisches.

Das Franziskusfresko ist an der gegenüberliegenden Säule zu finden. Das schwach erhaltene Fresko stammt aus dem ausgehenden 15. Jahrhundert und zeigt eine der zartesten Darstellungen des Heiligen Franziskus (welcher den Minoritenorden gegründet hat).

Bemerkenswert ist auch das 1855 errichtete Denkmal, welches dem Hofdichter Pietro Metastasio gewidmet ist. Das Monument stellt die Segnung des sterbenden Metastasios durch Papst Pius VI dar. Im Hintergrund sind die berühmten Komponisten Antonio Salieri, Wolfgang Amadeus Mozart und Joseph Haydn anwesend und beweinen den Tod des Dichters.

Das Denkmal des Metastasio

Die Minoritenkirche heute

Die Minoritenkirche befindet sich noch immer im Besitz der Italienischen Kongregation, welche unter der seelischen Fürsorge der Minoriten steht. Es werden wöchentlich zwei Messen abgehalten: Samstagabend auf Italienisch und Sonntagmorgen auf Deutsch. Die Gemeinde ist kulturell engagiert; es finden über das ganze Jahr verteilt unzählige Konzerte statt. Neben Messen und klassischen Konzerten, die regelmäßig stattfinden, treten gelegentlich auch Gospelchöre auf. Die Italienische Kongregation betreibt eine italienische Schule für Kinder im Alter von 6-18 Jahren. Nachmittags erhalten die SchülerInnen hier Italienisch- bzw. Religionsunterricht. Dazu werden Musikkurse angeboten, wo die Kinder diverse Streichinstrumente sowie Gitarre lernen können.

Die Kirche steht an allen Tagen der Woche für Besichtigungen offen. Ein Besuch zahlt sich auf jeden Fall aus.


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