Julia Lenart

Die Wiener Staatsoper

Die Wiener Staatsoper ist eines der renommiertesten Opernhäuser der Welt. Regelmäßig ausverkaufte Vorstellungen, Gastkünstler von Weltrang und ein unvergleichbares hohes Niveau des Ensembles machen die Staatsoper zu einem Aushängeschild österreichischer Kultur. Hinter den Fassaden am Ring steckt eine bewegte Geschichte.

Beginn der Monumentalbauten am Ring

Nachdem die Stadtmauern Wiens im 19. Jahrhundert obsolet wurden und der ständigen Stadterweiterungen im Wege standen, wurden sie schließlich 1858 abgetragen (es dauerte bis 1874, bis sie endgültig geschliffen waren). Die frei werdenden Flächen wurden teuer verkauft, um eine Reihe von Monumentalbauten entlang der neu entstandenen Ringstraße zu finanzieren; darunter auch das K.u.K.-Hofoperntheater.

Eine Inschrift erinnert an die Eröffnung

Ein Architekturwettbewerb wurde ausgeschrieben, den die Architekten August von Sicardsburg und Eduard van der Nüll gewannen. 1861 begannen die Bauarbeiten – ein schweres Unterfangen, da der Untergrund aus den Tiefen des Stadtgrabens, aus Resten der Stadtmauer sowie dem umgegrabenen Grund des Glacis (einer weiten Freifläche vor den ehemaligen Stadtmauern) bestand. Die Fertigstellung 1869 erlebten beide Architekten nicht mehr. Der sensible van der Nüll beging nach heftiger Kritik an dem Bauprojekt Selbstmord und von Sicardsburg erlag wenig später einem Schlaganfall. Ihre Vorstellungen vom Opernhaus blieben erhalten:

„Seinem Zwecke entsprechend soll das Gebäude nach aussen sich effektvoll gruppieren, einen lebendig heiteren Charakter an sich tragen und nach allen Seiten hin seine Räume einladend öffnen. In ersterer Beziehung sehen wir den Bau in zwei Hauptgruppen getheilt. Die vordere, schmälere, nach der Ringstraße liegende Gruppe enthält das Auditorium mit allen seinen dem Publikum zur Bequemlichkeit dienenden Nebenräumen. Sie liegt zwischen zwei Gartenanlagen, welche durch Fontainen belebt werden, und öffnet sich nach vorne in eine von Fünf Arkaden gebildete Halle, welche den zu Wagen kommenden Besuchern zur Unterfahrt dient. Die hintere, nach dem alten Opernhause zu liegende Gruppe ist bedeutend breiter als die erstere, denn sie enthält die Bühne mit ihren ausgedehnten Bedürfnissen. Hier befinden sich sowohl in der verlängerten Kärnthnerstrasse, als in der Operngasse je zwei Unterfahrtshallen […]. Zwischen diesen Unterfahrten ziehen sich in den beiden genannten Gassen offene Arkaden hin, um die zu Fusse kommenden Besucher gegen Wetter und anfahrende Wagen zu schützen. Die Façaden sind im Renaissance-Bogenstyle gehalten, dessen Wesen in einer harmonischen Verknüpfung der vertikalen Linien mit den horizontalen besteht. […] Über der Unterfahrt der Ringstrasse [ist] eine Loggia mit fünf weiten luftigen Oeffnungen angelegt, welche, mit Statuen und Malerei geschmückt, die Dichtungen zur Anschauung bringt, die im Inneren den Besucher vorgeführt werden.“

Das Operngebäude ist – nach Vorstellung der Architekten – von Grünflächen mit Brunnen flankiert

Am 25. Mai 1869 wurde das Opernhaus in Anwesenheit von Kaiser Franz Joseph und Kaiserin Elisabeth mit einer Aufführung von Mozarts Don Giovanni feierlich eröffnet.

Blüte des K.u.K.-Hofoperntheaters und Reformen unter Gustav Mahler

Die Logen waren ein beliebter Treffpunkt für die Oberschicht

Das neue K.u.K.-Hofoperntheater (welches im Übrigen dem Hofoperntheater der Habsburger nachgefolgt war) war ein beliebter Unterhaltungsort der Oberschicht. Anders als heute war die Oper im 19. Jahrhundert ein Ort des gesellschaftlichen Treffens und Austausches – die ZuseherInnen saßen keines Falles ruhig auf ihren Plätzen und lauschten der Vorstellung. Es wurde geredet, getrunken und gelacht. Dem Kaiser selbst war zwar die große Loge im Zentrum der Ränge vorbehalten, doch er war kein großer Opernliebhaber. Stattdessen zog er sich in seinen Salon im ersten Stock zurück, wo er oftmals Gäste empfing. Heute ist dieses Zimmer der Teesalon, der für spezielle Anlässe gemietet werden kann.

Als Gustav Mahler das Amt 1897 von Wilhelm Jahn übernahm, änderten sich diese Zustände. Er revolutionierte die Oper ungemein und machte sie zu dem, was sie heute ist. Es störte ihn, dass die ZuseherInnen die aufgeführten Werke mit derartiger Beiläufigkeit betrachteten. Mahler ließ also die Beleuchtung im Publikumssaal ausschalten (bisher war der Saal hell beleuchtet, damit man sich unterhalten konnte) und verlangte absolute Ruhe. Was anfangs auf Ärgernis von Seiten der OpernbesucherInnen stieß, gilt heute als Standard.

Das Bühne ist das Herzstück des Hauses

Gustav Mahler revolutionierte darüber hinaus die Opernaufführungen selbst; er erweiterte das eingestaubte Repertoire um zeitgenössische Werke und unternahm Überarbeitungen des klassischen Repertoires. Zudem erneuerte er das zu jener Zeit steife, oftmals karge Bühnenbild mit Hilfe des Bühnenbildners Alfred Roller. Im Prinzip schuf Mahler eine Opernkultur, wie wir sie heute kennen.

 

Zunehmender Antisemitismus ab dem 20. Jahrhundert

Der um sich greifende Antisemitismus verschonte Wien nicht. In den 1930er-Jahren veranlasste die Regierung Schuschnigg und Dollfuss, dass der Kulturbetrieb (vor allem der Spielplan der Theaterhäuser) an christliche Werte angepasst wurde – das Repertoire der Staatsoper (wie das Haus am Ring inzwischen genannt wurde), wurde stark eingeschränkt.

Mit dem Juli-Abkommen 1936 bekamen an der Staatsoper angestellte (bisher illegale) Nationalsozialisten Aufwind. Gleichzeitig kamen jüdische Ensemblemitglieder in Bedrängnis. Bis zum Anschluss Österreichs an Deutschland wurden zahlreiche personelle sowie programmtechnische Veränderungen vorgenommen; Werke jüdischer Komponisten wurden verboten und jüdische Ensemblemitglieder gekündigt. Einige schafften es, vor der drohenden Deportation ins Ausland zu fliehen. Der künstlerische Schaden, den die Staatsoper davontrug, war enorm und die Aufarbeitung dieses Zeitalters sollte langwierig werden.

Zerstörung des Hauses und Wiederaufbau

Im Frühjahr 1945 fiel die Staatsoper einem Bombenangriff zum Opfer und wurde zu großen Teilen zerstört. Nur die Hauptfassade, die Feststiege und das Schwindfoyer im ersten Stock blieben erhalten. Nach einer Ausschreibung, erhielt Erich Boltenstern den Auftrag, das Staatsoperngebäude wiederaufzubauen.

Die Oper erstrahlt unter neuem Glanz

Am 5. November 1955 wurde die Wiener Staatsoper glanzvoll mit der Aufführung von Beethovens Fidelio wiedereröffnet. Die Eröffnungsfeierlichkeiten waren durchaus als politisches Signal zu verstehen, als Zeichen für das Auferstehen der Zweiten Republik. Von nun an lag es an den Direktoren der Staatsoper, sie wieder zu alter Größe zu führen, die Geschichte aufzuarbeiten und die Schäden wiedergutzumachen.

Heute erstrahlt das Opernhaus am Ring mit vollem Glanz und trägt die österreichische Musikkultur in die ganze Welt.


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