Sandra Schmidhofer

Warum „Schleich di, du Oaschloch“ kein Symbol der Solidarität ist

Am 2.11. wurde Wien Opfer eines terroristischen Anschlages. Ein schwer bewaffneter Mann schießt wahllos auf Passant*innen. Ein Wiener beschließt in dieser Situation – angeblich – aus dem Fenster zu rufen: “Schleich di, du Oaschloch”. Die Wiener*innen feiern diesen “typisch wienerischen” Akt. Aber warum eigentlich?

Verharmlosung der Situation?

Bereits einen Tag nach dem Anschlag, der fünf Menschen das Leben gekostet hatte, machen Erzählungen über den angeblichen Ruf aus dem Fenster die Runde durch das Internet. Webseiten, die lustige Memes verbreiten, scheuen  nicht davor, den “Wiener Grantler”, der sogar bei einem Terroranschlag aus dem Fenster schimpft, in ihr Repertoire aufzunehmen. Zahlreiche User*innen schmücken ihr Facebook-Profil mit dem neuen “Trendslogan”. Sogar T-Shirts und Turnsackerl werden mit dem Hashtag versehen. Einige zeigen sich regelrecht stolz darauf, dass in Wien derart auf einen Anschlag reagiert wird. Wien ist eben anders. 

Zusammenhalt geht auch anders

Das Beschimpfen eines schwer bewaffneten Terroristen ist kein Akt der Zivilcourage, sondern hirnrissig und vor allem sinnlos. Dieses “Oaschloch” war Teil eines terroristischen Netzwerkes war, dessen Ziel es ist, brutalste Gewalt auszuüben und andersdenkende Menschen zu töten. Ein Netzwerk, dass sich durch Beschimpfungen wohl kaum von seinen Taten abhalten lässt. Sich kollektiv an Wiens origineller Art auf einen Terrorakt zu reagieren zu erfreuen, halte ich für unangebracht. Denn wir verschließen die Augen vor dem Wesentlichen.

Dieses “Oaschloch” war ein Mensch, dessen Lebensgeschichte ihn zu einen Terroristen machte. Niemand wird als Mörder geboren. Statt systematische Ausgrenzung zu fordern, ist es an der Zeit sich zu fragen: Wie kann ich zu weniger Hass in unserer Welt beitragen? Ausgrenzen ist keine Lösung, sondern Teil des Problems.

Wir brauchen in dieser Situation keinen trendigen Hashtag, sondern Besonnenheit und echte Solidarität. Und diese beruht, auch in Wien, nicht auf Beschimpfungen und T-Shirts. Wien kann mehr.


Ähnliche Artikel