Julia Lenart

Die Wiener Tafel

Die Wiener Tafel ist der älteste Umwelt- und Sozialverein Österreichs. Er versucht die Brücke zwischen Überflussgesellschaft und Armut zu schlagen und Lebensmittel, die in unserer Wegwerfgesellschaft auf dem Müll landen würden, an bedürftige Menschen zu verteilen.

Armut vs. Überfluss

Obwohl Österreich eines der reichsten Länder Europas ist, sind über 18% der Bevölkerung (das sind über 1,5 Millionen Menschen) von Armut bedroht oder direkt betroffen. Allein in Wien leben rund 8.000 Menschen dauerhaft auf der Straße, über 7.000 sind zeitweise obdachlos. Auf der anderen Seite werden in Österreich jährlich über 70.000 Tonnen wertvoller Lebensmittel weggeworfen. Die Wiener Tafel sieht sich als Brückenbauerin in diesem Graben der sozialen Ungerechtigkeit. Mit dem Motto „Versorgen statt Entsorgen“ holen rund 400 freiwillige Helfer Lebensmittel aus Handel, Industrie und Landwirtschaft ab, die ansonsten auf dem Müll landen würden. Diese bringen sie zu sozialen Einrichtungen und Organisationen wie Frauenhäusern, Mutter-Kind-Häusern, Obdachlosenunterkünften oder Flüchtlingsunterkünften.

Grundsätze: Gerechtigkeit und Nachhaltigkeit

Der Wiener Tafel ist es wichtig, dass Lebensmittel nicht einfach von einem Ort zum anderen verteilt werden, sondern dass nachhaltige Versorgung gewährleistet wird. Waren werden ausschließlich von den 200 Spenderunternehmen angenommen, mit denen der Verein zusammenarbeitet und werden genauestens auf ihren Zustand geprüft. Schlechte, abgelaufene Lebensmittel, oder Waren mit Suchtpotenzial (Alkohol, Zigaretten, …) werden nicht angenommen. Der Verein holt auch nur so viele Lebensmittel abgeholt, wie tatsächlich verteilt bzw. gelagert werden können.

Darüber hinaus achtet die Wiener Tafel darauf, dass die Lebensmittel dorthin gelangen, wo sie gebraucht werden. In Zusammenarbeit mit rund 120 sozialen Einrichtungen bietet die Wiener Tafel ihre Dienste nur jenen Organisationen an, die an der nachhaltigen Bekämpfung von Armut interessiert sind. Mithilfe professioneller Beratungs- und Betreuungsstellen soll betroffenen Menschen beim Aufbau eines selbstständigen Lebens und bei der Wiedereingliederung in die Gesellschaft geholfen werden.

Die Arbeit des Vereins steht dabei unter dem Grundsatz, dass jeder Mensch ein Recht auf ein gutes Leben hat, und dass die Voraussetzung dafür gerechte Verteilung ist. Wichtig dabei ist gegenseitige Wertschätzung von Menschen, unabhängig ihrer Herkunft, Geschlecht, sozialen Status oder Hautfarbe.  Der nachhaltige Umgang mit Ressourcen soll dazu führen, Hunger, Armut und Lebensmittelverschwendung zu bekämpfen.

Per Aspera ad Astra

Der Verein wurde 1999 von Martin Haiderer in Zusammenarbeit mit Studenten der Sozialakademie Wien gegründet. Anfangs waren es wenige freiwillige Helfer, die mit nichts außer dem Wunsch nach sozialer Gerechtigkeit und eifriger Arbeit die Wiener Tafel aufbauten. Es dauerte Jahre, bis der Verein erste Erfolge verzeichnen konnte, dennoch haben seine Mitglieder nie aufgegeben. Inzwischen ist die Wiener Tafel einer der größten und bedeutendsten wohltätigen Vereine Österreichs und nicht mehr aus der Gesellschaft wegzudenken.

Die Unabhängigkeit hat sich die Wiener Tafel stets bewahrt. Diese ist notwendig, um  unbürokratische Hilfe dort leisten zu können, wo sie tatsächlich gebaucht wird. Sie ist eine Non-Profit-Organisation, die allein von Spenden, Sponsoring, Freiwilligenarbeit und Mitgliedsbeiträgen lebt. Finanziellen Gewinn macht der Verein keinen. Wenn die Welt durch die Arbeit der Wiener Tafel ein wenig gerechter wird, so ist das Belohnung genug.


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