Julia Lenart

Ein Besuch in meiner Heimatstadt Villach

Seitdem ich zum Studieren nach Wien gezogen bin, komme ich immer seltener dazu, meine Heimatstadt Villach zu besuchen. Mir fehlt meist die Zeit für die vier einhalb Stunden Zugfahrt, die mich von meinem Zuhause trennen. Obwohl ich das Großstadtleben in Wien genieße, freue ich mich jedes Mal, nach Hause zurückzukommen. So auch jetzt, während ich am Wiener Hauptbahnhof auf meinen Zug warte …

Das erste, was ich bei meiner Ankunft in Villach sehe, ist – bei Zugreisen nicht sonderlich erstaunlich – der Bahnhof. Dieser hat durchaus Symbolkraft, da Villach schon immer ein wichtiger Verkehrsknotenpunkt war und dadurch zu einer bedeutenden Handelsstadt wurde. Villach befindet sich in Kärnten, dem südlichsten Bundesland Österreichs, nur wenige Kilometer von der italienischen und der slowenischen Grenze entfernt. Somit liegt die Stadt genau in der Achse zwischen Nord-Süd und West-Ost. Im alten Rom lag an diesem Ort eine der wichtigsten Verkehrsadern des Römischen Reiches. In Warmbad bei Villach (wo bereits die Römer die natürlichen Thermalquellen nutzten) sind sogar noch die römischen Straßen aus dieser Zeit erhalten, mit den charakteristischen tiefen Einkerbungen der Wagenräder.

Blick von der Draubrücke auf Villach mit (hinter Wolken versteckter) Berglandschaft

Mein Elternhaus steht in perfekter Lage am Stadtrand von Villach; nicht zu nahe am Trubel der Stadt, aber gleichzeitig nicht zu weit abgeschieden. Früher marschierte ich zu Fuß in die zwei Kilometer entfernte Schule – Busfahren in Villach ist eines der Dinge, die man besser vermeiden sollte, wenn man es eilig hat. Mein alter Schulweg führt mich erst an der Drau entlang bis zur Nikolaikirche, die meine Eltern und ich früher gelegentlich besuchten. Mein Großvater leitete jahrzehntelang den Kirchenchor und auch ich gestaltete (meist gemeinsam mit meinen Eltern) den Gottesdienst gelegentlich musikalisch mit. Anschließend durfte das gemeinsame Beisammensitzen bei Kaffee und Torte in der Konditorei Bernold, die sich gleich gegenüber befindet, nicht fehlen.

Villacher Feste

Während ich auf die Draubrücke abbiege, weht mir der würzige Malzgeruch von der Brauerei entgegen. Man könnte das Villacher Bier beinahe als Wahrzeichen der Stadt bezeichnen. 1858 baute der Fleischhauer und Gastwirt Johann Fischer die seit 1739 vorhandene Steinbierbrauerei um und begann, selbst Bier zu brauen. Seitdem ist das Villacher Bier fixer Bestandteil der Villacher Tradition. Zweimal im Jahr muss die Brauerei ihre Produktion vermutlich verstärken. Der erste Anlass, ist der Villacher Fasching. Dieser ist eines der bekanntesten Karnevalfeste in Österreich (wenn nicht sogar im gesamten deutschsprachigen Raum). Jedes Jahr wird von der Villacher Faschingsgilde ein neues Prinzenpaar gewählt, welches für die Dauer der Faschingszeit die Stadtregierung vom Bürgermeister übernimmt – natürlich nur symbolisch. An den Wochenenden finden im Congress Center Faschingssitzungen statt, in denen der Scherz regiert (und das Bier). Den Höhepunkt findet der Villach Fasching mit dem traditionellen Umzug am Faschingssamstag. Dann ziehen unzählige Menschen maskiert durch die Stadt und feiern das Ende des Faschings.

Ein weiteres großes Fest ist der Villacher Kirchtag, der jährlich in der letzten Juli-Woche stattfindet. Die gesamte Innenstadt verwandelt sich dann in einen riesigen Jahrmarkt mit Achterbahnen, Musikbühnen und Bierzelten. Die ganze Woche wird gefeiert, bis der Kirchtag schließlich am Kirchtagssamstag mit dem mitternächtlichen Feuerwerk seinen Höhepunkt erreicht. Mein persönliches Highlight ist die köstliche Kirchtagssuppe. Dieses traditionelle Gericht, ist im Prinzip eine saure Suppe, in der zusätzlich fünf verschiedene Arten von Fleisch gegeben werden. Serviert wird sie mit frischen Reindling (eine Art Germkuchen mit Rosinen und Zimt gefüllt).

Die atemberaubende Berglandschaft

Doch Villach bietet weit mehr, als nur rauschende Feste. Beim Gang über die Draubrücke genieße ich den wundervollen Blick auf die Berglandschaft, die die Stadt umgibt. Im Westen überragt der Dobratsch mit seinem markanten Sendemast die Stadt. Der Dobratsch ist ein Berg mit schicksalhafter Geschichte: in Folge eines Erdbebens im Jahre 1348 stürzte ein großer Teil der Südwand ein – unzählige Menschen verloren dabei ihr Leben. Die Auswirkungen kann man noch heute sehen. Anstelle dicht bewaldeter Berghänge, prägt die sogenannte „Rote Wand“ die Südseite des Berges. Darunter ist die „Schütt“, in der die abgestürzten Bergtrümmer liegen. Früher, als meine Eltern noch Kinder waren, war der Dobratsch ein beliebtes Schigebiet. Die Lifte mussten jedoch dem Naturschutzgebiet weichen, zu dem der Berg im Jahre 2002 erklärt wurde. Heute ist er ein beliebter Ausflugs- und Wanderort für Familien; der Aufstieg ist nicht sonderlich schwer und am Gipfel erwartet die Bergsteiger hervorragende Verpflegung im erst kürzlich neueröffneten Gipfelhaus.

Blick über Villach

Im Süd-Osten Villachs ragt der Mittagskogel aus den Karawanken hervor, der durch seine markante Trapez-Form auffällt. Er erinnert ein bisschen an einen Vulkan und man könnte erwarten, dass der Gipfel eine flache Ebene darstellt. Ich weiß noch, als ich vor vielen Jahren das erste Mal am Gipfel war und voller Enttäuschung feststellen musste, dass der Mittagskogel nicht so eben ist, wie er von unten aussieht. Im Gegenteil: die Spitze ist regelrecht felsig und kantig.

Im Süden thront die Burgruine Finkenstein über Villach. Im Mittelalter errichtet, bietet sie heute eine atemberaubende Kulisse für Konzerte und andere kulturelle Veranstaltungen. Im Westen des Komplexes befindet sich die große Arena, in der man den Veranstaltungen bei Sonnenuntergang lauschen kann.

Belebte Innenstadt

Lange bleibt mein Blick an der grünschimmernden Berglandschaft hängen, die mir in Wien doch sehr abgeht. Die Draubrücke führt mich direkt zum Villacher Hauptplatz und somit zur Altstadt. Hier reihen sich die farbigen Fassaden der vielen Geschäftslokale und Gasthäuser aneinander. Es erfüllt mich mit Freude zu sehen, wie belebt die Innenstadt wieder ist. Durch den Bau des großen Einkaufszentrums Atrio am Stadtrand, wanderten viele Geschäfte ab. Darüberhinaus ging die Kundschaft zurück, die nun lieber bequem im überdachten Einkaufszentrum shoppte, als in der Stadt. Seitdem hat die Stadtregierung viel in die Belebung der Innenstadt investiert und das – wie es scheint –  mit Erfolg. Die ehemals leeren Geschäftslokale sind nun so belebt wie lange nicht mehr.

Der Campanile

Das Rathaus Villach

Der leicht ansteigende Hauptplatz mit seinen bunten Scharni-Gärten führt über wenige hundert Meter zur Stadtpfarrkirche St. Jakob, welche die größte Kirche Villachs ist. Ihr ist der höchste Turm der Stadt angebaut – der Campanile (früher freistehend, heute mit der Kirche verbunden) ragt 96 Meter in die Höhe. Wenn man sich die Mühe macht, die vielen Stufen zur Spitze des Turmes zu erklimmen, so wird man mit einen wundervollen Ausblick über die gesamte Stadt und ihre Umgebung belohnt.

Schräg gegenüber der Kirche befindet sich das Rathaus der Stadt, ein – mit den bunten Fassaden am Hauptplatz verglichen – unscheinbares, graues Gebäude, das im 2. Weltkrieg vollkommen zerstört wurde. Überhaupt war Villach nach Wiener Neustadt, die am zweit-schlimmsten zerbombte Stadt Österreichs. Mehr als 85% der Gebäude wurden schwer beschädigt oder zerstört. Nach dem Krieg musste vieles wiederaufgebaut werden, danach florierte die Stadt aber wieder wie zuvor.

Der Villacher Hauptplatz

Inzwischen investiert die Stadt besonders in Technologie und Forschung. Mit LAM-Research und dem Infineon-Werk sind weltweit führende Konzerne in der Elektrochip-Herstellung in Villach ansässig. Gefördert wird die Forschung nicht zuletzt durch den stetigen Ausbau der Fachhochschule Villach, die eng mit den großen Firmen zusammenarbeitet. Damit bietet Villach nicht nur vielversprechende  Ausbildungsmöglichkeiten, sondern auch gute Arbeitsplätze.

Es freut mich, zu sehen, wie gut sich Villach entwickelt hat und ich bin fast traurig, wieder zu fahren. Doch ich werde wieder zurückkommen und darauf freue ich mich.


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