Julia Lenart

Interview Teil 2: Das Leben als Migrantin in Wien

Letzten Dienstag traf ich mich mit Krystyna, Beata und Zimfira vom Verein Babel, um mit ihnen über die Arbeit des Vereins und ihre Erfahrungen als Migrantinnen in Österreich zu sprechen. Obwohl sie unterschiedlichste Hintergründe haben, haben sich die drei Frauen in Wien gefunden und tragen einen bedeutenden Teil zur Integration von MigrantInnen bei.

Krystyna hat die Plattform Wenedi.eu und den Verein Babel gemeinsam mit ihrem Mann ins Leben gerufen und mehr oder weniger alleine aufgebaut. Ihre Ausdauer und ihr unermüdlicher Willen, Gutes zu tun, haben mich wahrlich beeindruckt. Ebenso bewundernswert ist das Engagement ihrer beiden Freundinnen, die Krystyna unterstützen, wo sie nur können. Zimfira ist Deutschlehrerin beim Verein Babel und Beata ist als Rechnungsprüferin beim Verein tätig.

Wir sprachen über das Leben als Migrantin in Wien

Im zweiten Teil des Interviews habe ich mit ihnen über ihre Erfahrungen als Migrantinnen in Österreich gesprochen. Krystyna, Beata und Zimfira berichteten über ihre Ankunft in Österreich, über die Schwierigkeiten, denen sie begegnet sind und über ihre Zukunftspläne. Hier ist ein gekürzter Ausschnitt aus dem Gespräch, das ich mit ihnen führen durfte:

 

Julia: Könnt ihr alle sagen, wo ihr ursprünglich herkommt?

Beata: Aus Polen.

Zimfira: Russland.

Krystyna: Ich komme auch aus Polen.

Julia: Warum seid ihr nach Österreich gekommen?

Krystyna: Ich bin von Italien nach Wien gekommen, wo ich zuvor als Au-Pair gearbeitet hatte. Mein Cousin hat mich angerufen und gefragt, ob ich ihm bei der Kinderbetreuung helfen könnte. Ich war 20 und dachte: warum nicht? Ich war jung und frei und konnte machen, was ich wollte. Hier hat es mir einfach gut gefallen und ich bin geblieben.

Beata: Bei mir war es fast genauso. Ich kam in den Sommerferien als Au-Pair nach Österreich, dann bin ich zurück nach Polen und habe mit dem Studium begonnen. In den nächsten Ferien bin ich wiedergekommen. Dann habe ich festgestellt, dass es mir hier gefällt und bin geblieben.

Zimfira: Bei mir war das anders. Von Anfang an war Deutsch meine Lieblingssprache. Als Kind war ich in diese Sprache verliebt; ich habe in der Schule Deutsch gelernt und auf der Universität Deutsch studiert. Ich bin oft nach Deutschland und Österreich gefahren – auch oft nach Wien – und habe viele Fortbildungen gemacht. Dann habe ich meinen Ehemann hier kennen gelernt und habe meine Liebe gefunden. Zunächst habe ich in Russland gearbeitet, ich kam aber oft nach Österreich. Seit 8 Monaten habe ich nun den Aufenthaltstitel und lebe hier.

Julia: Was waren eure ersten Eindrücke von Österreich bzw. von Wien?

Die ersten Eindrücke von Wien waren zumeist positiv

Beata: Da muss ich überlegen, das ist schon lange her. Es hat mir sehr gefallen, dass die Leute so offen und freundlich sind. Auch die Vielfalt an Kultur und Menschen ist mir gleich aufgefallen. Die Menschen hier sind eher mit sich selbst beschäftigt und schauen nicht so sehr auf die anderen. Ich muss leider sagen, dass die Menschen in Polen nicht so offen sind. Aber wir haben Krieg gehabt und da ist das irgendwie anders.

Zimfira: Also Wien hat mir sehr gefallen, vor allem die Architektur. Ich war begeistert, besonders vom Stephansdom – da hatte ich sogar Gänsehaut. Es ist eine sehr schöne Stadt. Was die Sprache betrifft … also ich war das erste Mal vor 6 Jahren in Wien und als ich am Flughafen ankam, habe ich mich gefragt: ist das überhaupt Wien? Sprechen die Menschen hier Deutsch? Diese Dialekte konnte ich nicht gut verstehen, das war ein bisschen überraschend. Aber die Leute waren natürlich viel höflicher als in Russland, das war bemerkenswert. Sogar die Autos bleiben stehen, und warten, wenn man über die Straße geht; das ist in Russland anders.

Krystyna: Bei mir war es ein bisschen anders, weil ich aus Rom kam. Das waren zwei verschiedene Welten, ich konnte das anfangs gar nicht begreifen. Dort reden alle sofort mit dir, obwohl dich keiner kennt – jeder ruft gleich „Ciao, Bella!“. In Wien sitzen die Leute lesend in der U-Bahn und niemand redet mit einem. Das war ein Kulturschock. Aber mit der Zeit haben mir die Ruhe und die Tatsache, dass sich alle eher für sich interessieren und dich niemand sieht, gefallen. Und es ist sauberer als in Rom. Anfangs habe ich mich gar nicht als Migrantin gesehen, auch nicht als Touristin – ich war einfach da. Irgendwann später (vielleicht hängt das mit dem Alter zusammen) habe ich gemerkt, dass nicht alles so leicht ist als Migrantin. Du musst dich mehr bemühen und mehr leisten, um Anerkennung zu bekommen.

Julia: Ja das ist sicher ein Punkt, der Schwierigkeiten bereitet, wenn man in ein anderes Land kommt. Man ist meist mit einer Form von Diskriminierung konfrontiert.

Krystyna: Erst dachte ich, das geht nur gegen Polen oder Ausländer. Aber jetzt habe ich gemerkt, dass du, wenn du in einem anderen Land bist, sowieso mehr leisten musst als die Einheimischen.

Julia: Sind dir je Vorfälle von Diskriminierung auf der Straße untergekommen?

Krystyna: Nein, so nicht. Also nur wenn ich in der Straßenbahn mit meinem Kind polnisch rede, sagen ältere Frauen manchmal: „Bitte Deutsch lernen!“. Aber sonst gibt es eigentlich nichts. Weißt du, von unserem Aussehen kann man nicht schließen, dass wir nicht von hier sind. Bei anderen Kulturen merkt man das gleich, wie zum Beispiel mit dem Kopftuch. Ich kann mich einfacher verstecken. Aber Diskriminierung kann vorkommen, wenn ich etwas sage. Obwohl ich mich bemühe, gut Deutsch zu sprechen, aber das ist halt nicht meine Muttersprache und das wird nie so gut werden.

Beata: Ich habe überhaupt keine Probleme mit Diskriminierung. Auch nicht beim Amt.

Krystyna: Ich habe mit vielen Müttern aus unseren Kursen geredet und auf Facebook mitbekommen, dass die viele Probleme mit Papieren haben.

Julia: Ist das in den letzten Jahren schlimmer geworden?

Krystyna: Jetzt seit 1½-2 Jahren. Sie müssen immer hunderttausende Papiere nachbringen, um zum Beispiel Familienbeihilfe zu bekommen. Dabei wollen sie einfach da leben und arbeiten und bekommen nicht das Gleiche wie die ÖsterreicherInnen. Oft gehen Papiere verloren und ich verstehe nicht, dass Beamte so etwas machen können. Die fühlen sich wie Götter. Die haben dein Leben in der Hand und wenn sie wollen, können sie deine Papiere irgendwo hintenan stecken und die Prozesse hinauszögern.

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Mit den Papieren haben es manche MigrantInnen schwer

Julia: Glaubt ihr, dass es mit den Papieren strenger geworden ist? Ist es schwerer, in Österreich als AusländerIn Fuß zu fassen?

Zimfira: Ich glaube, die neue Regierung ist ein bisschen strenger. Ich hatte erst das Gefühl, sie sind strenger gegen Leute mit Migrationshintergrund. Aber mein Mann und meine österreichischen Freunde denken, dass die Regierung auch gegenüber ÖsterreicherInnen so streng ist. Aber ich kenne mich nicht so gut aus. Ich weiß jedoch, dass es wenig Plätze für DeutschlehrerInnen gibt in letzter Zeit. Es wurde gekürzt. Ich hatte zum Beispiel beim BIFI ein Praktikum und damals – das war Anfang April – haben sie 40% der Lehrer gekündigt. Es gibt einfach weniger vom AMS bezahlte Kurse.

Krystyna: Früher waren viele Deutschkurse vom AMS gefördert und jetzt sind von Seiten des AMS 40% der Kurse gekürzt. Und die Organisationen, die diese Kurse angeboten haben, haben die Lehrer gekündigt, weil einfach weniger Geld und Plätze da sind. Ich verstehe nicht, was da genau läuft. Aber ich weiß, man sollte etwas dagegen machen – diese Richtung entspricht nicht meiner Meinung. Dann finden die Leute gar keinen Job mehr, wenn sie kein Deutsch können.

Julia: Ja, das ist schon schlimm. Kommen wir zu einem anderen Thema: Habt ihr Familie hier? Habt ihr sie da kennen gelernt oder seid ihr mit Familie nach Österreich gekommen?

Beata: Meine ganze Familie ist in Polen, ich bin alleine da.

Julia: Würdest du jemals wieder zurückwollen?

Beata: Das weiß ich nicht, das ergibt sich irgendwann. Momentan genieße ich die Freiheit und bereise die Welt.

Zimfira: Ich bin alleine da, ohne Familie. Ich kenne sogar keine RussInnen hier, habe keine russischen Freunde. Ich bin ja noch nicht lange da, ich kenne nur die Freunde von meinem Ehemann und nur ein paar MigrantInnen, so wie Krystyna …

Julia: Willst du nach Russland zurückgehen?

Zimfira: Hm … das weiß ich noch nicht, schwer zu sagen. Vielleicht irgendwann in der Pension mit meinem Mann zusammen, wenn er mitkommt. Aber das ist momentan schwer zu sagen.

Wer weiß, wohin sie der Weg noch verschlägt

Krystyna: Ich bin am Überlegen, in der Pension nach Polen zurückzugehen. Ich habe meine ganze Familie hier; ich habe einen Mann und drei Kinder. Eine Tochter ist jetzt in der Maturaklasse. Sie will nach Polen zurück, dort studieren und dann auch dort bleiben. Die andere Tochter weiß noch nicht, was sie später machen will und mein Sohn ist noch zu klein. Aber wir überlegen, wenn sie mit der Schule fertig sind, dass wir dann nach Polen zurückgehen. Dort könnte ich sofort einen guten Job haben, weil ich Deutsch kann und in Polen suchen sie Leute, die Deutsch können. Früher hat man in der Schule nur Englisch gelernt und keiner hat Deutsch gelernt. Das ist ein großer Vorteil für mich. Aber wir haben noch mindestens vier Jahre Zeit, bis mein Sohn mit der Schule fertig ist, dann schauen wir…

 

Ich danke Krystyna, Beata und Zimfira, dass sie sich Zeit für das Gespräch genommen haben.


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