Julia Lenart

Interview Teil 1: Der Verein Babel

Letzten Dienstag traf ich mich mit Krystyna, Beata und Zimfira vom Verein Babel, um mit ihnen über die Arbeit des Vereins und ihre Erfahrungen als Migrantinnen in Österreich zu sprechen. Obwohl sie unterschiedlichste Hintergründe haben, haben sich die drei Frauen in Wien gefunden und tragen einen bedeutenden Teil zur Integration von MigrantInnen bei.

Krystyna hat die Plattform Wenedi.eu und den Verein Babel gemeinsam mit ihrem Mann ins Leben gerufen und mehr oder weniger alleine aufgebaut. Ihre Ausdauer und ihr unermüdlicher Willen, Gutes zu tun, haben mich wahrlich beeindruckt. Ebenso bewundernswert ist das Engagement ihrer beiden Freundinnen, die Krystyna unterstützen, wo sie nur können. Zimfira ist Deutschlehrerin beim Verein Babel und Beata ist als Rechnungsprüferin beim Verein tätig.

Im ersten Teil des Interviews habe ich mit ihnen über die Anfänge der Plattform Wenedi.eu und des Vereins Babel gesprochen. Krystyna, Beata und Zimfira haben mir vieles über die erfüllende Arbeit und über das einzigartige Angebot des Vereins erzählt. Hier findet sich eine gekürzte Fassung unseres Gesprächs:

 

Julia: Die erste Frage richtet sich an dich, Krystyna. Wann hast du den Verein Babel gegründet und warum?

wenedi

Die Plattform Wenedi.eu liefert positive Nachrichten

Krystyna: Wir haben diesen Verein im September 2017 gegründet. Die Idee hatten mein Mann und ich. Wir sind nach Österreich, bzw. nach Wien gekommen und wollten etwas Gutes machen, das anderen Leuten hilft. Zuerst haben wir das Portal Wenedi.eu gegründet. Es sollte ein „Gute-Nachrichten-Portal“ sein, ein Gegenpol zu den Massenmedien. Die Leute brauchen einfach gute Nachrichten, nicht immer nur Schlagzeilen über Mord und Totschlag. Wir wollten dieses Portal erst nur für die polnische Community machen, aber es gibt hier so viele Leute von anderen Ländern und die ÖsterreicherInnen brauchen sicher auch gute Nachrichten. Also machten wir es in verschiedenen Sprachen; erst Polnisch, dann Deutsch und Englisch. Viele MigrantInnen haben mit der deutschen Sprache Probleme, da hilft es, die Nachrichten im Portal zuerst in der Muttersprache zu lesen und dann auf Deutsch. Und Deutsch muss man sowieso lernen, wenn man in Österreich leben will. Der Plan ist, noch andere Sprachen einzubinden, aber das ist ein großer organisatorischer Aufwand und braucht Zeit. Wir wollen vor allem osteuropäische Sprachen einbinden, weil wir die Kultur kennen und uns gut verstehen. Das Portal hat gut funktioniert, aber es war uns zu wenig für die Integration. Wir fingen an, Veranstaltungen zu organisieren, damit sich die Leute treffen, austauschen und Spaß haben können. Daher gründeten wir den Verein und weil wir viel mit Sprachen zu tun haben, gaben wir ihm den Namen Babel. Und in Wien werden tatsächlich so viele Sprachen gesprochen, wie bei der Geschichte vom Turmbau zu Babel. So ist Babel entstanden und langsam rufen wir alle diese Projekte ins Leben.

Julia: Beata, wie bist zu dem Verein gekommen? Woher kennst du Krystyna?

Beata: Wir haben uns bei einer Veranstaltung von einem anderen Verein kennen gelernt. Krystyna hat mich gefragt, ob ich Lust habe, ihr zu helfen und jetzt helfe ich hier mit.

Krystyna: Sie ist unsere Rechnungsprüferin.

Beata: Ja, genau.

Julia: Und du, Zimfira?

Zimfira: Ich komme aus Russland und bin Deutschlehrerin. Ich habe hier im Sommer im Rahmen des Mutter-Kind-Projekts ausgeholfen. Das war das erste Mal, dass ich mit Kindern gearbeitet habe, weil ich früher an der Universität unterrichtet habe und da waren nur Studenten und Erwachsene. Aber es war sehr interessant – es ist eine tolle Idee. Wir können hier mit den Müttern Kaffee trinken, die Kinder können hier essen und trinken und wenn sie müde sind, machen wir es uns mit Spielzeugen da auf dem Teppich bequem, und reden dabei weiter Deutsch. Das Ganze ist sehr gut organisiert.

Babel bietet verschiedene Deutschkurse an

Krystyna: Am Anfang waren die Mütter skeptisch, ob Deutschlernen mit Kindern wirklich geht. Aber eine Gruppe, die letztes Jahr hier war, ist begeistert und geht jetzt weiter. Diese Gruppe hat A1 gemacht, macht jetzt A2 und die TeilnehmerInnen können schon wirklich gut reden. In unseren Kursen konzentriert man sich nicht so sehr auf das Deutschlernen, sondern man spielt mit den Kindern und denkt nicht, dass man Deutsch redet – das ist ein viel entspannteres Lernen. In anderen Kursen machen sie schriftliche Übungen und lernen nicht, zu reden. Und diese Idee funktioniert; ich merke, dass sich immer mehr Mütter dafür interessieren und die Kinder profitieren auch davon. Ich habe in einer Gruppe Kinder im Alter von 5-6 Monaten, die sind noch ein bisschen klein. Für die 1-2-Jährigen ist es eine gute Vorbereitung auf den Kindergarten und sie haben soziale Kontakte. Viele Kinder aus Migrantenfamilien hören zu Hause nur ihre Muttersprache, aber bei Babel haben die Kinder Kontakt mit Deutsch und dann haben sie es leichter im Kindergarten und in der Schule.

Julia: Welches Angebot bietet Babel neben den Mutter-Kind-Kursen noch?

Krystyna: Es gibt Abendkurse für Berufstätige und wir planen, im Oktober eine Lernhilfe für Kinder zu organisieren. Das Interesse ist groß, aber es ist für viele berufstätige Eltern ein organisatorisches Problem, das Kind abzuliefern.

Julia: Wie alt sind die Kinder?

Krystyna: Volksschule, Gymnasium, Mittelschule. Wir suchen derzeit PraktikantInnen, die mit den Kindern arbeiten, also mit ihnen Hausübungen machen und den Stoff durchgehen und so.

Julia: Welche Schwierigkeiten hattest du, als du den Verein gegründet hast?

Krystyna: Vor den Behörden habe ich mich am meisten gefürchtet, obwohl das problemlos gegangen ist. Da muss man zur Bundespolizeidirektion im 1. Bezirk. Der Polizist, der meine Unterlagen kontrolliert hat, war sehr nett. Ich musste nur etwas korrigieren, noch einmal kommen und dann hat alles gepasst. Also das war wirklich nicht schlimm. Wir haben von finanzieller Seite gehofft, dass es einfacher wird, weil alle immer von Förderungen geredet haben, dass für Deutschkurse und Integrationsideen viel Geld vorhanden ist, aber davon habe ich nichts gemerkt.

Julia: Das erhalten dann wahrscheinlich nur die größeren Vereine.

Krystyna: Ja genau. Die Projekteinreichung ist ein langwieriger Prozess. Da habe ich die Mutter-Kind-Deutschkurse eingereicht – das ist von Anfang an nicht durchgegangen. Die Behörden haben das einfach nicht weitergeschickt, weil es nicht allen Punkten entsprochen hat. Da gibt es eine Reihe von Voraussetzungen und bei diesem Projekt haben ein oder zwei Punkte nicht gepasst, und dann haben sie es gleich gar nicht probiert. Das mit Förderungen ist wirklich schwierig. Schauen wir, ob sich da noch was ergibt.

Julia: Beata, was hältst du vom Angebot des Vereins und was zeichnet dieses Angebot aus, im Vergleich zu anderen Deutschkursen?

Beata: Mutter-Kind-Kurse sind eine perfekte Idee. Manche Mütter gehen nicht in Deutschkurse, weil sie auf ihre Kinder aufpassen müssen und so können sie diese immer dabeihaben. Ich kenne keinen anderen Kurs, der so etwas anbietet. Das ist, glaube ich, der einzige.

Die Kurse bei Babel sind sehr familienfreundlich

Krystyna: Unser Vorteil ist auch, dass die Kurse billig sind, weil wir versuchen, von den Kursgebühren nur die Kosten abzudecken. Ich mache alles selber; ich habe keine Sekretärin, keine Putzfrau, kein Büro, gar nichts. Das heißt Personal brauchen wir wenig. Wir versuchen die Kosten möglichst gering zu halten und die Leute schaffen es dann auch, 200 € für zwei Monate zu bezahlen.

Julia: Das ist echt günstig.

Krystyna: Ja, ich glaube, günstiger geht es nicht. Aber das sind dann wirklich nur die Kosten, ich verdiene dabei so gut wie nichts.

Zimfira: Die Mutter-Kind-Kurse sind natürlich ein gutes Angebot. Wir kennen eine Frau, die Deutsch in einem anderen Kurs lernt – ohne Kinder. Und sie hat gesagt, wenn sie gewusst hätte, dass es dieses Angebot bei Babel gibt, dann hätte sie nicht für den anderen Kurs bezahlt. Sie hat dort B2 gemacht und gesagt, dass sie da sitzen – 15 oder 16 Leute – und die Lehrerin spricht die ganze Zeit und sie verstehen gar nichts. Sie machen nur Grammatik und das ist nutzlos – sie lernen fast nichts. Hier ist das besser.

Krystyna: Ja, sie ist hierher gekommen und war begeistert. Wir haben meist nur acht Mütter in einer Gruppe – mehr nehmen wir nicht. Da kommen noch die Kinder dazu und sonst ist das zu viel. Wir gehen nicht nach Büchern vor, so wie andere Kurse, sondern wir bereiten das vor, was die Frauen brauchen, um gut Deutsch zu lernen. Also das Programm wird sehr individuell gestaltet und das ist, glaube ich, gut so.

Julia: Eine Frage noch: wer kann die Kurse besuchen? Nur polnisch-sprachige MigrantInnen?

Krystyna: Nein, jeder kann das machen. Am Anfang ist es sicher gut, eine rein polnische Gruppe zu haben, um die Grammatik zu erklären. Sonst ist das schon schwer, wenn du die Grammatik lernen sollst und nichts verstehst. Aber dann, bei A2/B1, ist es gut, wenn jemand von einem anderen Land unterrichtet.

 

Ich danke Krystyna, Beata und Zimfira, dass sie sich für das Gespräch Zeit genommen haben.


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