Sandra Schmidhofer

Alleinerziehend studieren – geht das?

Sophie und Alexandra sind mitten im Studium schwanger geworden. Ohne Partner an ihrer Seite haben sie ihr Studium fortgesetzt und gewähren Einblick in den Alltag alleinerziehender Studierender. 

 

Die Situation alleinerziehender Studierender ist oft herausfordernd.

wenedi.eu: Wie hat sich der Studienalltag nach der Geburt eurer Kinder verändert?

Sophie: Früher drehte sich mein Leben mehr oder weniger um mein Studium. Ich war hauptberuflich Studentin und habe es geliebt. Seit ich jedoch Kinder habe, ist mein Studium nur noch Nebensache. Nicht, weil ich nicht gerne studiere und mein Studium jetzt als weniger wichtig erachte, sondern weil es sich zeitlich mit Kindern nicht so leicht vereinbaren lässt, wenn man alleinerziehend ist.

Alexandra: Bei mir haben die Veränderungen bereits in der Schwangerschaft begonnen. Da habe ich noch versucht, möglichst viele Lehrveranstaltungen abzuschließen. Als mein Kind dann auf der Welt war, hab ich sehr viel Tempo herausgenommen. Nur mehr wenige Lehrveranstaltungen pro Semester. Bei Vorlesungen ohne Anwesenheitspflicht blieb ich zuhause und lernte abends online. 

wenedi.eu: Welchen Herausforderungen steht man als alleinerziehende/r Studierende/r gegenüber?

Alexandra: Ich habe bereits wieder erste Vorlesungen und Seminare besucht als mein Baby noch sehr klein war. Da ich das meiste von Zuhause aus erledigen konnte, war die Zeit unter dem Semester deshalb gut machbar. Der wirklich herausfordernde Teil, und das blieb bis zum Abschluss meines Studiums so, waren für mich jedoch die Prüfungswochen. Jeden Tag lernen und das viele Stunden lang. In den Lernpausen habe ich gestillt und Windeln gewechselt. Ansonsten betreute vor allem meine Mutter, manchmal auch der Kindesvater, das Baby den ganzen Tag über. Genauso verlief es auch, wenn die Deadline für eine Seminar- oder Abschlussarbeit näher kam. Das schlechte Gewissen, das mich plagte, weil ich meiner Tochter in diesen Zeiten nur wenig Aufmerksamkeit schenken konnte, erschwerte die Situation noch mehr. 

Sophie: Als meine Kinder noch nicht in den Kindergarten gingen, konnte ich nur dann zur Uni gehen, für die Uni lernen und arbeiten, wenn ich jemanden hatte, der auf meine Kinder aufgepasst hat und ich auch körperlich und geistig dazu imstande war. Die größte Herausforderung beim Studieren mit Kind ist es, neben der Pflege und Betreuung seines Kindes Zeit zu finden und Kraft aufbringen zu können, um Kurse zu besuchen, zu lernen und andere Aufgaben für die Uni zu erledigen. Und das obwohl die Energiereserven auf einem Tiefpunkt liegen und aufgeladen werden müssten.

Alexandra: Genau. Als betreuendes Elternteil hat man im ersten Jahr – und in meinem Fall noch weit darüber hinaus – meist mit massivem Schlafmangel zu kämpfen. Wenn man alleinerziehend ist, hat man auch tagsüber wenig Möglichkeiten, einmal auszuruhen. Wenn man alleinerziehend studiert, sind die Kraftreserven, die neben Kinderbetreuung und Haushalt noch für das Studium vorhanden sind, somit sehr begrenzt. Extreme Überlastung wird zum Dauerbegleiter. 

Sophie: Auch die sozialen Kontakte nehmen stark ab, sofern man das Kind nicht ständig von anderen betreuen lassen möchte oder kann, um in die Uni zu gehen. 

Alexandra: Das war bei mir auch so. Wenn Studienkolleg*innen abends in eine Bar gingen, war ich zuhause. Meine kinderlosen Freunde habe ich, bis auf wenige Ausnahmen, nur mehr selten gesehen. Doch auch mit anderen Eltern war es schwer, eine Freundschaft aufzubauen. Während sie von einem Babytreff zum nächsten gehen konnten, saß ich zuhause und musste Seminararbeiten schreiben. Wenn ich dann mal Zeit hatte, war ich oft so müde, dass ich es vorzog zuhause zu bleiben. 

wenedi.eu: Wie familienfreundlich ist die Uni?

Sophie:  Ich finde, dass es sowohl von der Studienrichtung als auch von dem Studienfortschritt – sprich, in welchem Semester man ist und welche Kurse einem noch fehlen – abhängt. An der Romanistik gibt es in erster Linie prüfungsimmanente Lehrveranstaltungen, also Lehrveranstaltungen mit Anwesenheitspflicht, bei denen man maximal 3 Mal pro Semester fehlen kann. Hier ist man darauf angewiesen, das Kind währenddessen jemandem zur Betreuung abgeben zu können. An der Germanistik hat man hingegen sehr viele Vorlesungen, von denen nicht unbedingt alle besucht werden müssen, weil bei den meisten das gesamte Material auf Moodle (Anm.: Online-Lernplattform) gestellt wird. Als meine Kinder auf der Welt waren, fehlten mir nur noch Vorlesungsprüfungen und die Diplomarbeit. Ich musste deswegen nicht in die Uni fahren und war dann in erster Linie darauf angewiesen, dass jemand auf meine Kinder aufpasst, damit ich lernen und an meiner Diplomarbeit arbeiten konnte. Hätte ich zu Kursen gehen müssen und zusätzlich noch jemanden für die Betreuung gebraucht, um lernen zu können, hätte ich bis heute noch nicht einmal mit der Diplomarbeit beginnen können.

Alexandra: Dem kann ich nur zustimmen. Bei meinem Bachelorstudium gab es viele Lehrveranstaltungen ohne Anwesenheitspflicht. Das hat die Organisation der Kinderbetreuung erleichtert. Jetzt, wo ich auf der Suche nach einem passenden Masterstudium bin, merke ich, dass sich ein Studium mit viel Anwesenheitspflicht teilweise sehr schwer mit einer Kinderbetreuung vereinbaren lässt. 

wenedi.eu: Wieso ist das so?

Alexandra: Lehrveranstaltungen finden nun mal nicht nur vormittags statt, wenn die Kinder im Kindergarten oder in der Schule sind. Es gibt auch Fälle, wo einzelne Veranstaltungen auf das Wochenende fallen, ganztägig sind oder nur in unregelmäßigen Abständen zu unterschiedlichen Zeiten stattfinden. Wenn man als alleinerziehendes Elternteil studieren möchte, ist man also zwingend auf Unterstützung abseits von Kindergärten und Schulen angewiesen. Ich habe das Glück, ein großes Unterstützungsnetzwerk zu haben, allerdings ist die ständige Organisation von Betreuung durchaus herausfordernd. Denn so gerne mein Umfeld hilft, so hat doch jede*r einen Job und eigene Verantwortungen und dadurch eben nicht immer Zeit. Babysitter bedeuten mehr Kosten und das ist für manche finanziell einfach nicht drinnen. Wo wir schon bei der nächsten großen Herausforderung sind: Dem finanziellen Aspekt.

wenedi.eu: Wie kann man ein Studium als Alleinerziehende/r finanzieren?

Alexandra: Während meines Bachelorstudiums habe ich bei meinen Eltern gewohnt und musste keine Miete bezahlen. Das war ein großer Vorteil und auch der Grund, warum ich zu der Zeit keine finanziellen Sorgen hatte. Jetzt ist das anders. Mein Kind und ich wohnen in einer eigenen Wohnung, die laufenden Kosten sind dementsprechend höher. Die Frage ob ich weiter studieren werde, hängt davon ab, ob ich es mir leisten kann. Neben Studium und Kinderbetreuung noch einer Erwerbsarbeit nachzugehen, kann ich mir für mich nicht vorstellen. Es gibt Personen, die das schaffen. Für mich ist der Gedanke an eine derartige Mehrfachbelastung kaum erträglich. 

Ein genereller Anspruch auf Studienbeihilfe für Alleinerziehende würde hier Abhilfe schaffen. Ob jemand Studienbeihilfe bekommt, hängt aktuell vom Gehalt der Eltern oder davon ab, wie lange man bereits einer Erwerbsarbeit nachgegangen ist. Hier sind junge Alleinerziehende im Nachteil, wenn sie die nötigen 4 Jahre Erwerbstätigkeit noch nicht nachweisen können. Und nur weil die eigenen Eltern gut verdienen, heißt das noch lange nicht, dass sie ihre Kinder plus Enkelkinder mitversorgen können oder wollen.

wenedi.eu: Gibt es spezielle Unterstützungsangebote für studierende Eltetn bzw. alleinerziehende Studierende? 

Alexandra: Also von Seiten der Universität gibt es da kaum Unterstützung, die mir bekannt wäre. Am Campus der Universität Wien gibt es zwar einen Kindergarten, dieser richtet sich aber vorrangig an Kinder von Universitätsangestellten oder Studierender in der Abschlussphase des Masterstudiums. Es gibt auch kaum Möglichkeiten, Austausch zu anderen Studierenden mit Kindern zu finden. Das ist sehr schade. In anderen Ländern bzw. an anderen Universitäten gibt es da mehr Initiativen. 

Sophie: Ich denke, dass vielen damit geholfen wäre, wenn sie ihr Kind direkt an dem Standort, an dem sie einen Kurs haben oder lernen möchten, zur Betreuung für die Zeit der Lehrveranstaltung oder Lerneinheit abgeben könnten. Wenn es jedoch Studierende gibt, für die der Weg in die Uni mit Kind nicht machbar ist, wäre ein verlässliches Angebot an digitalen Lehrveranstaltungen hilfreich.

wenedi.eu: Alleinerziehend studieren, ist das machbar?

Sophie: Ja, es ist machbar, aber nur, wenn man Unterstützung von der Familie und Freunden hat oder die Kinder zur Betreuung in einen Kindergarten geben kann. Ein Babysitter wird vermutlich für den Großteil der Student*innen nicht leistbar sein.

Alexandra: Machbar, ja. Wie gut machbar, hängt zum einen bestimmt vom Alter des Kindes bzw. der Kinder ab. Vor allem aber hängt es sehr stark von den zur Verfügung stehenden Unterstützungsmöglichkeiten ab. Maßnahmen zur finanziellen Absicherung von alleinerziehenden Studierenden, Möglichkeiten der Kinderbetreuung während Lehrveranstaltungszeiten und Initiativen zur Vernetzung von Studierenden mit Kindern wären jedenfalls wünschenswert. 

 


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