Julia Lenart

Der Volksgarten

Im Zentrum Wiens gelegen, ist der Volksgarten einer der beliebtesten und schönsten Gärten der Stadt. Vor allem sein Rosengarten bezaubert seine BesucherInnen. Die Geschichte des Volksgartens geht zurück ins 16. Jahrhundert, auf die Gründung des sogenannten Paradeisgartels.

Der Paradeisgartel

Gegen Ende des 16. Jahrhunderts wurde die Löwelbastei ausgebaut, wobei im Areal des heutigen Volksgartens eine Kurtine entstand. Diese war Teil der Befestigungsmauern und verband die Löwelbastei mit der Burgbastei. Die Kurtine war begehbar und bot ab 1760 dem Älteren Paradeisgartel Platz, welcher von Hofgärtner Adrian von Steckhoven angelegt wurde. Der Wiener Adel konnte auf der Kurtine im Grün spazieren gehen und die Natur genießen. 1784 entstand hier mit der Ochsenmühle das erste Kaffeehaus, welches sich rasch großer Beliebtheit erfreuen sollte.

Die Belagerung Napoleons hatte 1809 die Sprengung und teilweise Schleifung der Stadtmauern (und somit auch der Löwelbastei und der anliegenden Kurtine) zur Folge. Diesem Ereignis fielen der Paradeisgartel und somit auch das anliegende Kaffeehaus zum Opfer.

Die Eröffnung des Volksgartens

Erst nach dem Wiener Kongress (1814/15) wurde der Schutt der zerstörten Löwel- und Burgbastei abgetragen und teilweise wiederaufgebaut. Auf der neu entstandenen Fläche ließ Kaiser Franz I einen Privatgarten (heute der Burggarten), einen Exerzierplatz (der heutige Heldenplatz) und einen öffentlichen Garten (Volksgarten) anlegen. Die Planung des Gartens übernahm der Hofbaudirektor Ludwig von Remy. Zunächst beschränkte sich das Gartenareal lediglich auf die Fläche rund um den Theseuestempel, den Tritonbrunnen und das Corti‘sche Kaffeehaus (welches sich zunächst noch auf der wiedererrichteten Löwelbastei befand und über einen Aufgang zu erreichen war).

Heute ist der Volksgarten vor allem für seinen Rosengarten bekannt

Zu Zeiten der Monarchie war der Adel um die Gefahren besorgt, die ein öffentlicher Park bieten könnte; man fürchtete einen Verfall der öffentlichen Ordnung und der Sittlichkeit.  Daher mischte sich die Zensurbehörde in die Gestaltung des Parks ein. Verwinkelte Pfade und Versammlungsplätze sollten vermieden werden, damit die wachsame Polizei alle BesucherInnen stets im Auge behalten konnte. Nach französischem Vorbild wurden die Alleen gerade angelegt (im Gegensatz zur englischen Bauweise, die verwinkelte Wege bevorzugt) und waren somit leicht zu überwachen.

Am ersten März 1823 wurde der Volksgarten in Anwesenheit von Kaiser Franz I feierlich eröffnet.

Die Erweiterungen des Volksgartens

Die erste und bedeutendste Erweiterung des Volksgartens fand nach der endgültigen Schleifung der Stadtmauern und der Auffüllung des Stadtgrabens (1862) statt. Hierbei erhielt der Volksgarten die Form, die er heute besitzt. Im Rahmen dieser Erweiterung wurde eine vierzig Meter breite Fläche angelegt. Hier liegt heute das sogenannte Rosarium, der Rosengarten. Ursprünglich waren hier jedoch keine Rosen gepflanzt, sondern Flieder- und Rhododendronsträucher.

Um 1884 wurde der Volksgarten ein zweites Mal erweitert. Nachdem einige Gebäude in der Löwelstraße abgerissen worden waren, stellte sich die Frage, wie man die frei gewordene Fläche nutzen sollte. Man einigte sich darauf, den Volksgarten auszubauen. Franz Antoine de Paula der Jüngere erhielt als Hofgärtner den Auftrag für die Planung. Er hatte einige Jahrzehnte zuvor bereits bei der Gestaltung des Heldenplatzes mitgewirkt. Nun sollte er den Volksgarten in eine geplante Erweiterung der Hofburg integrieren. Diese Erweiterung wurde allerdings nie ausgeführt; de Paula gestaltete daher nur den Volksgarten neu.

Der Hofgartenverwalter Josef Vesely (der sein Handwerk bei seinem Vorgänger de Paula gelernt hatte) gestaltete die gesamte Gartenanlage in den Jahren 1903-1906 nach Plänen des österreichischen Architekten Friedrich Ohmann neu.

Der Rosengarten wurde erst nach dem Zweiten Weltkrieg angelegt

Die Zerstörungen während des Zweiten Weltkrieges machten nach 1945 weiträumige Renovierungsarbeiten notwendig. Noch heute werden bei Gartenarbeiten gelegentlich Granatensplitter aus der Kriegszeit gefunden.

Die zentralen Sehenswürdigkeiten

Das Corti‘sche Kaffeehaus ist eines der ältesten Gebäude im Volksgarten. Bereits im 18. Jahrhundert befand sich hier die sogenannte Ochsenmühle; eine kreisförmige Bahn auf der die BesucherInnen entlangspazierten. Diese Einrichtung, die dem Volk zur Entspannung diente, war zu jener Zeit eine gängige Form der Unterhaltung. Das Prozedere erinnerte an Ochsen, die, stets im Kreis gehend, die Mühlen antrieben. Die BesucherInnen kamen auf ihrem Weg auf der Rundbahn immer wieder bei einer Trinkstation – der Limonadenhütte – vorbei, bei der sie sich erfrischen konnten.

Das eigentliche Kaffeehaus wurde erst später (1820-22) von Pietro Nobile errichtet. Nachdem der Besitzer der Limonadenhütte gestorben war, wollte der italienische Kaffeesieder Pietro Corti das Etablissement weiterführen. Schließlich genehmigte man ihm, an der Stelle der Ochsenmühle einen „Kaffee-, Thee- und Chokoladen-Ausschank mit practicablen Tischen, Bänken und Gestühle“ zu eröffnen. Hier verkehrten Aristokraten, Politiker und Diplomaten ebenso wie Größen der Wiener Kulturszene (Raimund, Grillparzer, Beethoven, um nur wenige zu nennen). Nach seinem Besitzer Pietro Corti Corti’sches Kaffeehaus genannt, war es das erste Wiener Kaffeehaus mit Sitzgelegenheiten im Grünen. Es verzauberte durch seine hochklassigen Musikdarbietungen (unter anderem von Johan Strauß Vater).

Im Laufe des Zweiten Weltkrieges wurde das Corti‘sche Kaffeehaus schwer beschädigt, weshalb es von 1947-1953 von dem österreichischen Architekten Oswald Haerdtl wiederaufgebaut wurde. Dieser erweiterte es um ein Restaurant, eine Milchbar sowie um einen Gastgarten. Das Cortische Kaffeehaus war stets der Musik verschrieben. Nachdem vor den Weltkriegen Musiker wie Johan Strauß Vater und Joseph Lanner konzertierten, spielten ab den 1950ern Jazz-Größen wie Ella Fitzgerald und Joe Zawinul auf. Heute befindet sich an der Stelle, wo einst das Corti’sche Kaffeehaus war, eine beliebte Diskothek: die Säulenhalle.

Der Theseustempel

Der Theseustempel steht seit der Begründung des Volksgartens in dessen Zentrum. Er wurde vom Architekten Peter Nobile errichtet und ist dem Stil des Theseions in Athen nachempfunden. Ursprünglich war hier die berühmte Theseusgruppe aufgestellt, eine Marmorskulptur des italienischen Künstlers Antonio Canova. Die Skulptur zeigt Theseus beim Kampf mit einem Kentauren. Kaiser Franz I kaufte das Kunstwerk und veranlasste dessen Ausstellung im dafür errichteten Theseustempel im Volksgarten. 1890 wurde die Theseusgruppe ins nahe gelegene Kunsthistorische Museum gebracht, wo sie noch heute (beim Stiegenaufgang) steht. Heute wird der Theseustempel für Kunstausstellungen genutzt. Gelegentlich kann man hier in den Sommermonaten Brautpaare beim Fotoshooting beobachten.

Wichtige Denkmäler

Versteckt im nördlichen Teil des Volksgartens liegt das Denkmal der Kaiserin Elisabeth. Die enorme Statue (geschaffen vom Bildhauer Hans Bitterlich) wurde aus Laaser Marmor geschaffen und wiegt acht Tonnen. Die Kaiserin (im Volksmund Sissi genannt) thront über einen künstlich angelegten Teich mit Springbrunnen inmitten von Sträuchern, Blumenbeeten und Parkbänken. Die Anlage wurde von Friedrich Ohmann entworfen. 1907 wurde das Denkmal in Anwesenheit von Kaiser Franz Joseph I enthüllt.

Das Kaiserin Elisabeth Denkmal

Ebenfalls aus Laaser Marmor besteht das Grillparzer-Denkmal am gegenüberliegenden (südlichen) Ende des Volksgartens. Es wurde 1889 von Carl Kundmann errichtet und ist in ein Halbrundes Marmorrelief von Karl Freiherr von Hasenauer und Rudolf Weyr eingebettet. Das Relief zeigt Szenen aus berühmten Werken des österreichischen Autors, darunter „Die Ahnfrau“, „Der Traum ein Leben“, „König Ottokars Glück und Ende“, „Sappho“, „Medea“ und „Des Meeres und der Liebe Wellen“. In der Mitte thront der Autor Franz Grillparzer selbst, hinter Rosensträuchern, umgeben von seinen Werken.

Das Grillparzer-Denkmal

In der Außenwand des Volksgartens (gegenüber dem Parlament) befindet sich das Julius-Raab-Denkmal, in die Wand eingelassen. Es wurde im Mai 1965 errichtet und erinnert an Julius Raab, den umstrittenen ehemaligen Bundeskanzler Österreichs (1953-1961). Das Denkmal wurde von Toni Schneider-Manzell nach Plänen von Clemens Holzmeister geschaffen.

Vor dem Theseustempel steht seit 1923 der Jugendliche Athlet, eine Bronzestatue, geschaffen von dem Bildhauer Josef Müllner. Es wurde errichtet, als Zeichen, dass sich Österreich gegen den Sportboykott nach dem Ersten Weltkrieg zu Wehr setzte, der ihm von den Siegermächten auferlegt worden war. In den Dreißigerjahren löste der nackte Jüngling einen Eklat aus, weshalb er mit einem Feigenblatt versehen wurde. Das Feigenblatt ist (trotz Protesten) noch immer da.

Der Rosengarten erblüht jedes Jahr von Neuem in prächtigen Farben

Der Rosengarten (auch Rosarium genannt) wurde erst nach dem Zweiten Weltkrieg angelegt. Hunderte verschiedene Sorten von Rosen in allen Farben erblühen im Bereich der ersten Erweiterung von 1862. Die Pflege ist aufwändig. Es gibt die Möglichkeit, eine fünfjährige Rosenpartnerschaft zu übernehmen und eine Gedenktafel zu einem der Rosensträucher stellen lassen.


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