Julia Lenart

Universität Wien

Die Universität Wien (Alma Mater Rudolphina Vindobonensis) zählt zu den größten Universitäten im deutschsprachigen Raum und zu den ältesten Universitäten Europas. Ihrer Rolle als freie Institution der Wissenschaft kam sie in ihrer über 650-jährigen Geschichte nicht immer umstandslos nach. Als Zentrum der höheren Bildung war sie stets Austragungsort machtpolitischer Interessen.

Ein holpriger Start

Herzog Rudolf IV, „Der Stifter“, unterzeichnete am zweiten März 1365 die Stiftungsurkunde für „das Wiener Generalstudium mit Promotionsrecht in allen erlaubten Wissenschaften“. Nach Pariser Vorbild musste jede neu gegründete Universität vier Fakultäten haben: eine juridische, eine medizinische, eine katholisch-theologische und eine artistische (nach den sieben freien Künsten des Mittelalters). Die eifrigen Vorhaben des jungen Herzogs, Wien zu einer Vorreiterstadt in Europa zu machen, sollten vorerst nicht die Ausführung finden, die er angedacht hatte. Noch bevor Papst Urban V die Gründung im Juni desselben Jahres bestätigen konnte – der Papst hatte im Mittelalter großen Einfluss – verstarb Herzog Rudolf IV im zarten Alter von 25 Jahren. Aus unbestimmten Gründen verweigerte der Papst die Zustimmung für eine katholisch-theologische Fakultät, weshalb die Universität vorerst nicht den Titel „Volluniversität“ tragen durfte. Gleich einem wackeligen Schiff auf stürmischer See manövrierte Rudolfs jüngerer Bruder Albrecht III die Universität durch die folgenden Jahrzehnte, immer knapp an der Grenze der Auflösung. Erst 1384 (fast zwanzig Jahre nach der Gründung) verhandelte Albrecht III die Zulassung der katholisch-theologischen Fakultät mit Papst Urban VI, was die Gründung der Universität endlich verfestigte.

Die Rektorentafel erinnert an alle Rektoren der Universität seit ihrer Gründung im Jahre 1365

Doch Rudolfs Pläne waren ursprünglich noch weiter gegangen; die „Pfaffenstadt“ – ein ummauertes Studentenviertel, das sich vom Schottentor über die Herrengasse bis hin zur Hofburg erstrecken sollte – kam aufgrund der Proteste gegen die dafür nötigen Enteignungen vieler Bürger nie zur Durchführung. Die Minoritenkirche sollte das geistliche Zentrum der Studentenstadt sein, Mauern sollten die hier lebenden Studenten vor den möglichen Angriffen der übrigen Bevölkerung bewahren. Inwiefern eine derartige Abschottung den sozialen Konflikt gemildert hätte, ist fraglich.

Das Studentenleben im Mittelalter

Erst 1384 wurde mit dem Herzogskolleg (collegium ducale) das erste Wiener Universitätsgebäude eingerichtet. Herzog Albrecht III erwarb zwei Gebäude beim Stubenring, die er zusammenschloss und der Universität übergab. Nach einigen Umbauarbeiten konnte im darauffolgenden Jahr bereits der Unterricht aufgenommen werden und die Kollegiaten (die Lehrenden) konnten einziehen. Im Mittelalter war es durchaus üblich, dass die Kollegiaten im Universitätsgebäude lebten, nicht selten in Wohngemeinschaften mit ihren Studenten. Das Studienleben war streng geregelt; die Studenten mussten sich der christlichen Statuten der Universität unterwerfen; die Kollegiaten waren bis 1537 noch dem Zölibat verpflichtet. Generell war der Einfluss der Kirche auf die Universität und den Studienalltag sehr groß.

Immerhin herrschte im Mittelalter freier Studienzugang – mit gewissen Einschränkungen. Die engen Verbindungen mit der katholischen Kirche machten eine Aufnahme von nicht katholischen oder papsttreuen Studenten unmöglich. Gebühren variierten zwar nach Stand und Vermögen der Studierenden, wer jedoch mehr zahlte, erfuhr auch eine dementsprechend bessere Behandlung.

Wechselnde Abhängigkeitsverhältnisse

Die Universität Wien war in ihrer Geschichte nie wirklich unabhängig. Zunächst stand sie unter dem Einfluss des Papstes und der katholischen Kirche. Die Reformationsbewegungen des frühen 16. Jahrhunderts bedrohten den katholischen Einfluss, weshalb Ferdinand I 1550 den Jesuitenorden nach Wien berief, der für seine streng katholischen Lehren bekannt war. Der Orden verbreitete seine Lehren in Wien in eigenen Jesuitenkollegs, die bald in Konkurrenz mit der Universität gerieten. Diese war bis dahin noch recht liberal mit Protestanten umgegangen. Die sogenannte Reformatio Nova (1554), die dem Landesfürsten stärkere Durchgriffsrechte in Personal- und Lehrplanfragen einräumte, und nicht zuletzt die eigens eingerichtete Reformkommission unter Petrus Canisius, sorgten für die Entlassung protestantischer Lehrbeauftragten der Universität. 1623 wurde das Jesuitenkolleg in die Universität integriert. Die Jesuiten bestimmten den Studienalltag bis zur Auflösung des Ordens durch Papst Clemens XIV 1773.

Mit dem Geist der Aufklärung machte sich Abneigung gegen die Kontrollmacht der Kirche breit. Unter den Regentschaften Maria-Theresias und Josephs II wurde die Universität aus der Abhängigkeit der Kirche befreit und in staatliche Hand gegeben. Damit verbunden war die Aufhebung der Zugangsbeschränkungen: ab 1778 durften Protestanten, ab 1782 Juden studieren. Die Ausbildung an der Universität diente von nun an nicht der Wissenschaft, sondern der Ausbildung von Staatsdienern. Diese restriktiven Entwicklungen sorgten dafür, dass sich die Universität von ihren Kolleginnen in Europa weitgehend abschottete, welche die Hauptaufgabe der Universitäten in der wissenschaftlichen Bildung sahen; der Geist der Aufklärung wurde in Wien unterdrückt (sogar Studienaufenthalte im Ausland waren verboten).

Erinnerungen an berühmte ForscherInnen der Universität in den Arkadengängen

Mit der Revolution von 1848 kam es in Österreich endlich zur Lehr- und Lernfreiheit, die den Lehrkörper sowie die Lehrinhalte von den konservativen Ketten des Staates befreiten. Von nun an durfte jeder an der Universität lehren, solange er sich an wissenschaftliche Prinzipien hielt. Auch die Zugangsbeschränkungen wurden gelockert.

Das Hauptgebäude

Im Zuge der Märzrevolution 1848 verlor die Universität ihr Hauptgebäude im Stubenviertel. Da die Institute in der ganzen Stadt verteilt waren, wurde der Ruf nach einem neuen Hauptgebäude laut. Nach langen Verhandlungen um Standort und Architekten, bekam Heinrich von Ferstel den Auftrag. Er gestaltete einen monumentalen Bau im Stile der Renaissance, der in seiner Helligkeit (geschaffen durch die vielen lichtspendenden Innenhöfe) eine Allegorie für die Aufklärung, den Sieg des Lichtes über die Dunkelheit, darstellen sollte. Er selbst erlebte die Fertigstellung nicht, da er vor der Eröffnung (1883) starb. Wie so oft bei großen Bauvorhaben, war das Budget schlecht berechnet, weshalb große Teile des Gebäudes nicht fertiggestellt werden konnten. Die Studierenden zogen somit in einen Rohbau ein, der erst im Laufe der Zeit fertiggestellt werden konnte. Davon zeugen noch heute die weißen Wände in den Gängen, welche eigentlich farblich verziert und mit Statuen bestückt werden hätte sollen.

Die Philosophenstiege

Den wohl größten Kunstskandal der Zeit losten die Künstler, die mit der Gestaltung des Großen Festsaales beauftragt waren, aus. Die Künstlergruppe „Compagnie“ – bestehend aus Gustav und Ernst Klimt sowie Franz Matsch – sollte die vier Fakultäten allegorisch in Deckengemälden darstellen (Ernst Klimt verstarb bevor die Arbeiten begannen). Matsch gestaltete die Allegorie der Theologie, Gustav Klimt die anderen drei: Medizin, Juristerei und Philosophie. Klimts Bilder erregten einen Eklat, da sie für die konservativen Köpfe der Universität zu obszön, in den Augen vieler Kritiker gar pornographisch waren (besonders die Abbildung einer nackten schwangeren Frau galt im 19. Jahrhundert als zutiefst geschmacklos). Die heftige Kritik veranlasste den gekränkten Klimt dazu, von dem Auftrag zurückzutreten. Die Bilder wurden von der Industriellenfamilie Lederer erstanden, fielen in den Wirren des Zweiten Weltkrieges jedoch einem Brand zum Opfer. Heute sind nur noch Photographien der Kunstwerke vorhanden. Erst 2005 wurden Schwarz-Weiß-Reproduktionen der Werke an der Decke des Festsaales angebracht.

Schwere Zeiten während den beiden Weltkriegen

Im ersten Weltkrieg wurde die Universität als Lazarett genutzt; der Studienbetrieb war stark eingeschränkt. Zwar wurde dieser nach dem Ende des Krieges wieder aufgenommen, doch die politischen Verhältnisse wirkten sich auf die Universitätspolitik aus. Mit dem Aufkommen des austro-faschistischen Ständestaates in den Dreißigerjahren stand die Universität zunehmend unter der Kontrolle des Staates. Die „vaterländische Ideologie“ wurde zum obersten Gebot, das sowohl die Personalpolitik als auch die Lehrpläne beeinflusste. Auf verpflichtenden sommerlichen Hochschullagern wurden alle (männlichen) Studenten einer vormilitärischen Ausbildung unterzogen.

Die Restriktionen minderten sich nicht während der Zeit des Nationalsozialismus. Nach dem Anschluss wurden unzählige jüdische und regimekritische Professoren entlassen, jüdische Studierende zunehmend vom Lehrbetrieb ausgeschlossen. Die Zugangsbedingungen wurden immer strenger; nach der Reichsprogromnacht am 9./10. November 1938 war Juden das Betreten der Universität untersagt. Der Einfluss des NS-Regimes hatte erhebliche Auswirkungen auf die Lehr- und Forschungsinhalte. So wurden vor allem Forschungen gefördert, welche die Ideologie unterstützten (z.B. Rassentheorie). In diesem Sinne wurden auch neue Institute gegründet (unter anderem das Institut für Zeitungswissenschaft, welches als Kaderschmiede für regimetreue JournalistInnen dem Propagandaministerium unterstand).

Nach Ende des Zweiten Weltkrieges gab es eine Entnazifizierungswelle, die aber unter anderem durch die „Mindestbelastetenamnestie“ von 1948 abgeschwächt wurde. So konnten rund zwei Drittel der ehemals regimetreuen Professoren ihre Arbeit fortsetzen. Generell tat – und tut man sich noch immer – mit der Aufarbeitung in Österreich schwer; erst in den späten Achziger- und Neunzigerjahren begann der schrittweise Aufarbeitungsprozess.

Jahrhundertelanger Ausschluss von Frauen

Frauen waren lange Zeit von der Wissenschaft ausgeschlossen. Erst 1897 öffnete mit der philosophischen Fakultät die erste Fakultät Frauen den Zugang zu höherer Bildung (532 Jahre nach der Universitätsgründung!). Es folgten die medizinische (1900) und die rechtswissenschaftliche Fakultät (1919). Zuletzt ließ die katholisch-theologische Fakultät Frauen zum Studium zu (1945). Bis in die 1890er Jahre (und teilweise darüber hinaus) wurde mit der angeblich biologischen begründeten geringeren Leistungsfähigkeit des weiblichen Gehirns argumentiert, dass eine wissenschaftliche Betätigung von Frauen nicht möglich sei. Diese Sichtweise symbolisiert nicht zuletzt der Brunnen im Innenhof des Hauptgebäudes: er stellt die sitzende Nymphe Kastalia dar, die den männlichen Studenten zur Inspiration für ihr Studium dienen sollte (für höhere Aufgaben waren Frauen anscheinend nicht zu gebrauchen).

„Der Muse reicht’s“ – Das Kunstprojekt setzt ein Zeichen für Gleichberechtigung

Erst 2009 wurde auf die verheerende und lange anhaltende Diskriminierung von Frauen mit einem Kunstprojekt aufmerksam gemacht. „Der Muse reicht’s“ heißt das Projekt der Künstlerin Iris Andraschek, die über die Fläche des Innenhofes eine sich erhebende Schattenfigur der Nymphe gestaltete: die Nymphe Kastalia erhebt sich aus der symbolischen Nichtexistenz. Dennoch gibt es einiges aufzuholen, was die Gleichstellung von Frauen betrifft; doch die Universität befindet sich auf einem guten Weg.


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